Unser OV fährt mittlerweile schon seit Jahrzehnten nach Gifhorn-Winkel in ein dortiges Jugendheim der evangelischen Kirche.
Schon in den Anfangszeiten wurden Freundschaften mit den ortsansässigen OM geschlossen, welche bis heute bestehen.
Und so geht es auch weiterhin in die Südheide Gifhorn...
Funkamateure sind im Alltag oft verschlossene Einzelgänger. Untereinander jedoch kommunizieren sie regelmäßig, meist im UKW-Bereich. Festgelegte Frequenzen (Kanäle werden auf Orts- oder Regionalebene zu bestimmten Zeiten für Klönrunden genutzt. Anfang der 70ger Jahre, an einem Abend im Herbst, schaltete ich wie immer mein Funkgerät ein. Auf unserem Ortskanal stand ein tonloser Träger, d. h., es war ein unmoduliertes Sendesignal zu empfangen, auf dem niemand sprach. Das passiert, wenn jemand vergisst, seinen Sender auszuschalten. Meistens merken die Betreffenden das selbst, denn wenn der eigene Sender arbeitet, kann man nicht gleichzeitig hören. Daran dachte ich an diesem Abend zunächst auch. Da das Signal längere Zeit unverändert weiter dastand, wollte ich wissen, woher es kam.
Mit Hilfe einer drehbaren Richtantenne auf dem Dach peilte ich. Das Signal kam aus unserer Region, aber in dieser Richtung wohnte meines Wissens kein Funkamateur. Komisch ! Nach einiger Zeit eine Stimme „Hier ist der Fuchs der Spandauer Fuchsjagd. Ich warte auf die Jäger.“ Fuchsjagd nennen Funkamateure wettbewerbsähnliche Veranstaltungen, bei denen versteckte Sender gesucht werden. Spandau war für mich damals ein Stadtteil von Berlin. Wir wohnten in Niedersachsen am Südrand der Lüneburger Heide. Berlin liegt 250 km östlich von uns. Auf UKW kann man normalerweise nicht so weit hören. Das Signal empfing ich aus Nordwesten. Nach einigen technischen Überprüfungen stand fest, dass das Signal tatsächlich aus unserer Nähe kam, nach der Feldstärke zu urteilen etwa 20 bis 40 km entfernt.
Eine Weile später wieder die Stimme: “ Hier ist der Fuchs, ich befinde mich nördlich der Autobahn Helmstedt – Hannover, südlich der Lüneburger Heide und westlich der B 4.“ Jetzt war mir klar: Berliner Funkamateure befanden sich in unserem Landkreis, führten eine Fuchsjagd durch und sendeten auf unserer Hausfrequenz. Uns hatte niemand etwas davon gesagt. Starkes Stück! Wie gerne hätte ich mitgesucht! Das wäre eine echte Bewährungsprobe für meine neu gebaute mobile Peileinrichtung geworden. Wieder die Stimme „ Hier ist der Fuchs, wo bleiben die Jäger, ich bin hier immer noch alleine.“ Interessant, der ist bisher von niemandem gefunden worden. Ob ich eine Chance habe? Wie weit ist er weg? Los! Richtantenne und Empfänger ins Auto, mal sehen, ob ich ihn finde, bevor er abschaltet.
Ich fahre 5 km zur B4 und halt auf einem Parkstreifen. Antenne aus dem Kofferraum, Empfänger eingeschaltet. Toll, er sendet noch! Die Richtung passt, aber wie weit ist er weg? Haben ihn schon einige Jäger gefunden? 5 km weiter Richtung Norden. Erneut: Parkstreifen, Antenne aus dem Kofferraum, Empfänger eingeschaltet. Toll, er sendet noch! Die Richtung ist jetzt anders. Das Signal kommt aus Westen, ist gut zu hören. Auf der imaginären Landkarte vor meinem geistigen Auge entsteht schon eine vage Vorstellung, wo der Sender stecken könnte. Im nächsten Ort links ab Richtung Westen. Nach einigen Kilometern wiederum: Antenne aus dem Kofferraum, Empfänger eingeschaltet. Toll, er sendet noch! Das Signal kommt von vorn, die Richtung passt, es ist stärker geworden, ich komme näher. Die Ansage: „Hier ist der Fuchs, wo bleiben die Jäger, mich hat noch niemand gefunden.“ Erstaunlich! Jetzt wird es spannend. Bei mir kommt Jagdfieber auf. Den kriege ich! Noch 2 km weiter. Ich bin jetzt im Wald. Antenne aus dem Kofferraum, Empfänger eingeschaltet. Toll, er sendet noch stärker! Die Richtung passt, er kommt von vorn, leicht rechts aus dem Wald. Wahnsinn! Auf die Ansage höre ich nicht mehr. Weiter! Vierter Halt am Ende des Waldes. Das Signal kommt jetzt von hinten. Ich bin vorbeigefahren.
Nun suche ich die Waldwege der Reihe nach ab ohne zu peilen. Der erste Weg endet im Schlamm. Wenn der Sender aus einem Auto betrieben wird, kann er hier nicht sein. Zurück! Nächster Weg. Hier steht ein Auto mit einheimischer Nummer. Kein Berliner. Ein richtiger Jäger, ein Liebespaar? Egal, Zurück! Es ist dunkel geworden. Zum nächsten Waldweg. Hier geht es nach 100 m nicht mehr weiter, ein Busch versperrt den Weg. Im Scheinwerferlicht spiegelt etwas durch die Zweige. Ein Auto? Fernlicht einschalten, dichter ran. Zwei Männer kommen aus dem Busch, sind geblendet, Fernlicht aus. Die jungen Leute schauen unsicher. Was will ein Auto mit einheimischer Autonummer hier? Ich steige aus und stelle mich vor. „ Ich bin Funkamateur und suche hier einen Sender “. Mehr konnte ich nicht sagen. „Ja wir sind der Fuchs. Woher weißt du? Wieso hast du uns gefunden? Von unseren Jägern ist noch keiner hier.“ Irre, ich war der erste! Kurze Erklärungen hin und her. Autoscheinwerfer von weitem auf der Landstraße. „Licht aus, unsere Leute kommen!“ Ich gehe mit in das Versteck. Da ist noch jemand. Stockdunkle Nacht!
Die Leute erzählen mir, dass sie ca. 20 Funkamateure sind, aus Spandau kommen, im Landkreis Gifhorn (unserm Landkreis) Urlaub machen und in einem Jugendheim wohnen. 1972 gab es die innerdeutsche Grenze noch, und so war für Berliner unsere Region die am schnellsten erreichbare im Westen. Die Spandauer Jäger kommen. Mit ihren Autos suchen sie offenbar die Waldwege ab wie ich kurz vorher. Einer kommt unseren Weg bis dicht an mein Fahrzeug hochgefahren, hält kurz und fährt zurück. Wir lachen in unserem Versteck. Wir können die Gedanken der Insassen erraten: Da steht ein einheimischer Wagen, das kann nicht unser Fuchs sein. Kurze Zeit später tun noch zwei weitere Fahrzeuge das gleiche. Wieder hören wir Motorgeräusche und sehen Scheinwerferlicht von den anderen Waldwegen.
Der Fuchs nimmt sein Mikrofon und sendet: „Hier ist der Fuchs, ich sehe mehrere Autoscheinwerfer, warum fahrt ihr immer in die falschen Wege“? Die Autos kommen wieder näher. Eines fährt in unseren Weg und hält hinter meinem Wagen mit dem Gifhorner Kennzeichen. Zwei Leute steigen aus, sehen mit der Taschenlampe in mein Auto und gehen dann weiter zu dem Busch, der den Weg versperrt. Sie merken, dass hier etwas nicht stimmt, nehmen einige Zweige weg und sehen uns dann. „Geschafft!“ Die anderen Jagdautos sind inzwischen auch herangekommen. Der Waldweg wird voll. Wieder werde ich mit den gleichen Fragen bombardiert. „Wer bist du, woher weißt du, warum bist du eher hier als wir?“ Sie erzählen mir, was ich schon weiß, dass sie über 20 Leute sind und in einem Jugendheim wohnen. „Willst du mitkommen, da können wir besser miteinander reden?“ Warum nicht! Die Berliner fahren vorneweg über Feld- und Waldwege, die ich noch nie benutzt hatte. Erstaunlich, wie gut die sich hier auskennen.
Im Jugendheim sehen wir uns bei Licht, junge und ältere Leute. Noch mehr als einmal muss ich die Frage beantworten, wie es mir gelungen sei, den Fuchs zu finden. Es gibt zu essen und zu trinken. Es wird spät. Ich muss mir anhören, dass Spandau nicht zu Berlin gehört, eher umgekehrt und auch höchstens politisch. Spandau sei viel älter und schöner u.s.w. Wir verabreden uns für den nächsten Abend zu einer gemeinsamen Fuchsjagd.
Nun kommen die „Spandauer“ schon seit über 34 Jahren von Pfingst-Donnerstag bis zum 2. Feiertag – und immer noch ins Jugendheim! Die Teilnehmer dieses Treffens haben inzwischen gewechselt. Einer von denen, die damals aus dem Busch kamen, ist inzwischen pensioniert, leitet aber nach wie vor diese Reisen ins Jugendheim nach Gifhorn.
Ein schwaches, für Laien nicht wahrnehmbares Funksignal begründete eine dauerhafte Freundschaft.
73 de Hans, DF3AL